Störungsbilder nach Hirnschädigung
Störungsbilder nach Hirnschädigung
MÖGLICHE FOLGEN EINER HIRNSCHÄDIGUNG
Aufbau des Gehirns
Das Gehirn ist unser wichtigstes Organ mit der höchsten Komplexität. Es verarbeitet alle eingehenden Informationen unserer Sinnesorgane, steuert alle Handlungen und Reaktionen und regelt alle lebenswichtigen Funktionen. Es besteht vereinfacht gesagt im Wesentlichen aus drei Teilen: dem Großhirn, dem Kleinhirn und dem Hirnstamm.
Schädigung des Großhirns
Das Großhirn (Cerebrum) besteht aus zwei eigenständigen, symmetrisch angeordneten Hälften (Hemisphären), die durch Nervenfasern, dem sog. Balken (Corpus callosum), miteinander verbunden sind. Über ihn werden Informationen zwischen den beiden Hirnhälften ausgetauscht. Oberflächlich betrachtet ähneln sich die beiden Hälften, allerdings sind ihre Aufgaben sehr unterschiedlich. Jede Hälfte ist für bestimmte Funktionen spezialisiert. Es gibt viele verschiedene Zentren für ganz spezielle Aufgaben.
Die Symptome nach einer Großhirnschädigung können dem entsprechend sehr vielfältig sein. (Siehe Artikel Schlaganfall) Störungen der Sprache treten vor allem bei linkshirnigen Schädigungen auf, da sich hier bei der überwiegenden Zahl der Menschen das Sprachzentrum befindet. Häufig verbindet sich damit eine rechtsseitige Körperlähmung. Auch Sprechstörungen können auftreten in Form von Dysarthrien und/oder Sprechapraxien und Schluckstörungen (Dysphagien).
Schädigung des Kleinhirns
Das Kleinhirn (Cerebellum) ist hauptsächlich für die motorische Kontrolle des Körpers zuständig. Alle Bewegungen, von groben Bewegungen der Arme oder Beine, bis hin zu den feinsten, komplexesten Bewegungen z.B. beim Klavierspielen oder Sprechen, werden von dort gesteuert und gelernte, automatisierte Bewegungsabläufe gespeichert. Die häufigste Folge ist eine eine spezielle Form der Sprechstörung: die sog. ataktische Dysarthrie (oder cerebelläre Dysarthrie) auf Grund einer Störung der feinmotorischen Kontrolle der Sprechbewegungen. Das Sprechen wirkt unregelmäßig, "abgehackt", Silben werden stärker getrennt gesprochen (skandierend). Die Verständlichkeit ist u.U. eingeschränkt.
Schädigung des Hirnstamms
Der Hirnstamm (Truncus cerebri) ist unterhalb des Zwischenhirns (Diencephalon) gelegen und besteht aus dem Mittelhirn (Mesencephalon), der Brücke (Pons) und dem verlängerten Mark (Medulla oblongata). Hirnstamm steht nicht synonym für Stammhirn, das neben dem Hirnstamm zusätzlich das Mittelhirn umfasst. Der Hirnstamm steuert alle grundlegenden, lebenserhaltenden Funktionen wie Atmung, Stoffwechsel, Blutdruck, Herzschlag. Die Nervenbahnen, die das Großhirn mit dem gesamten motorischen und sensorischen Apparat verbinden, laufen über den Hirnstamm. Bei einer Schädigung können entsprechend die Nervenbahnen betroffen sein und damit kann auch das gesamte Spektrum unserer Bewegungsmöglichkeiten eingeschränkt werden: die Extremitäten, der Rumpf, der Kopf und damit der Trakt zur Nahrungsaufnahme und der Sprechapparat. Es können je nach Schädigungsort und -ausmaß einzelne Organe und Funktionen betroffen sein bis hin zu einem nahezu kompletten Ausfall der motorischen Steuerung, zum Locked in -Syndrom mit Tetraparese (Lähmung aller Extremitäten) und Ausfall der Schluck- und Sprechfunktionen bei komplett erhaltenen Großhirnfunktionen.
KURZE ERKLÄRUNG DER STÖRUNGSBILDER
Aphasie:
Störung der Fähigkeit zum Gebrauch sprachlicher Mittel zur Kommunikation aufgrund von Abrufproblemen der korrekten Wörter oder Wortformen und/oder diese Wörter in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen und auszusprechen.
Dysarthrie / Dysarthrophonie:
Störung des Gebrauchs der Sprechorgane durch muskuläre Schwächung oder Lähmung. Das kann die Artikulationsorgane wie Zunge, Lippen oder Kiefer betreffen, aber auch die Stimmgebung und die Sprechatmung.
Sprechapraxie:
Störung der Ausführung von Sprechbewegungen aufgrund von Planungsproblemen und fehlerhafter motorischen Umsetzung der Bewegungen.
Dysphagie:
Störung des natürlichen Schluckaktes in den verschiedenen Phasen aufgrund von motorischen und sensorischen Störungen und dem Zusammenspiel der beteiligten Organe.
URSACHEN FÜR NEUROLOGISCH VERURSACHTE KOMMUNIKATIONSSTÖRUNGEN
Schlaganfall ist die häufigste Ursache (ca. 80%) für neurologische Erkrankungen, ausgelöst durch Verschlüsse oder Blutungen der Hirnarterien.
Schädel-Hirn-Trauma (SHT): Schädigungen nach Verletzungen, die von außen auf das Gehirn einwirken durch Unfall, Schussverletzungen etc.
Hirntumor: Schädigung des Hirngewebes durch Verdrängung des Tumorwuchses, bzw. bei der Entfernung eines Tumors.
Hirnentzündungen: Entzündliche Prozesse schädigen Hirngewebe, das für sprachliche Prozesse relevant ist.
Demenz: Vorwiegend altersbedingte Abbauprozesse schädigen weiträumig oder vollständig die Hirnstrukturen und führen zum Abbau aller geistigen Prozesse und damit auch der sprachlichen Fähigkeiten.
(© Heinrich Mundt, bearbeitet durch Juliane Graf-Wegner 2019)
Zur Thematik Kommunikation nach Hirnschädigung seien an dieser Stelle unser Beitrag sowie der kostenlose Download des Flyers "Kommunikation nach Schlaganfall" der Deutschen Schlaganfall-Hilfe empfohlen. Hier wird in verständlicher und kompakter Weise ein Überblick über die verschiedenen Kommunikationsstörungen, die nach einem Schlaganfall auftreten können, über deren Auswirkungen auf den Alltag, über den Umgang mit ihnen und über Behandlungsmöglichkeiten gegeben.